4 – Außergewöhnliche Charaktere erzählen eine gute Fantasygeschichte

Wir schreiben Bücher, weil wir Geschichten erzählen möchten. Ich bin mir sicher, du hast bereits eine gute Geschichte im Kopf, sonst wärst du nicht hier gelandet.

Ich verrate dir eines vorweg: eine gute Geschichte ist eine zwingende Zutat für einen guten Roman, doch sie ist längst nicht alles!


Sol Stein erklärt es in seinem Schreibratgeber Über das Schreiben (diese Lektüre kann ich jedem beginnenden Autor wärmstens empfehlen) so: „Wen interessiert ein Autounfall? Niemanden. Erst wenn ich die Personen kenne die in dem Auto gesessen sind, bin ich betroffen und wird es mich berühren.“
Und das ist genau das, was du mit deinem Buch erreichen sollst – den Leser berühren. Er soll mitfiebern, bangen und leiden, dann wird er dein Buch lieben!

Eines ist somit wichtiger als deine Geschichte. Deine Handlung kann noch so toll sein, doch sie wird keiner lesen, wenn deine Charaktere über die du deine Geschichte vermittelst, nicht interessant sind.

Gesetz des Fantasyschreibens: Ohne interessante Charaktere wird keiner deine Geschichte lesen.

Ein Leser wird bei deinem Buch gar nicht erst zum spannenden Teil vordringen, wenn ihn deine Charaktere nicht von Anfang an fesseln. Ja, fesseln. Du musste den Leser im wahrsten Sinn des Wortes an dein Buch fesseln, damit er es nicht auf die Seite legt. Online, in einer Buchhandlung oder auf Buchmessen liest der Leser den Klappentext deines Buches und wenn es gut geht eine halbe Seite. Das bedeutet: auf der ersten Seite musst du den Leser packen, sonst ist er weg! Gelingen wird dir das, wenn der Leser mit einem außergewöhnlichen Charakter konfrontiert wird.

Außergewöhnliche Charaktere erschaffen

Was ist langweiliger als langweiligen Charakteren zuzusehen? Nichts!
Wie berühre ich den Leser? Indem du ihn mit deinen Charakteren verbindest. Erst wenn dein Leser eine Beziehung zu deinen Charakteren aufgebaut hat – das kann sowohl auf Sympathie als auch auf Abneigung beruhen – kannst du Gefühle bei ihm auslösen.

0815-Typen haben wir in unserer Welt genug. Interessant wird ein Charakter, wenn er anders ist. Das können physische oder psychische Merkmale sein. Je mehr Ecken und Kanten dein Protagonist hat, desto spannender ist es, ihn auf seiner Reise durch deinen Roman zu begleiten.

Entwickle unvergessliche Charaktere!

Wie wird mein Charakter unvergesslich? Du schaffst Fakten, die sich deinen Lesern einprägen. Doch was ist einprägsam? Es sind die Dinge die anders sind, unerwartete Eigenschaften, möglicherweise eine dunkle Seite, ein stark ausgeprägter Charakterzug.

Im Fantasygenre scheint es besonders einfach, außergewöhnliche Charaktere zu kreieren, denn bekanntlich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ein Protagonist, der möglicherweise einem Huhn ähnelt, einen Schnabel hat und fliegen kann, würde alleine durch sein Äußeres Interesse wecken. Wenn das Huhn dann noch Höhenangst hat, auf ausgefallene Hüte steht und eine Ausbildung als Kampfmönch absolvieren möchte, sollte das Interesse des Lesers geweckt sein.

Kenne deine Figuren wie kein anderer

Es gibt eines, das dir deine Leser nicht verzeihen – Unglaubwürdigkeit! Dabei geht es nicht darum, dass deine Fantasygeschichte wahr ist – sie muss plausibel sein!

Eine Geschichte muss nicht wahr sein, aber sie muss immer plausibel bleiben.

In einer Fantasywelt kann ich eigene Gesetze entwerfen: möglicherweise gibt es zwei Monde in deiner Welt, die Zeit wird nicht in Wochen und Monaten gezählt, oder Pflanzen können sprechen. Das ist alles ok.
Absolut nicht ok ist, wenn sich deine Charaktere unschlüssig verhalten! Das Mauerblümchen kann sich gerne in eine Kriegerin verwandeln oder der Zahnradsammler in einen waghalsigen Piloten, doch die Entwicklung deiner Figuren muss mit den Werten und Visionen deiner Figur einhergehen.

Es muss also einen guten Grund geben, weshalb sich ein Charakter entwickelt, wohin er sich entwickelt und wie er sich verhält. Deshalb musst du deinen Charakter in- und auswendig kennen. Dein Protagonist kann sich für den Leser unerwartet verhalten, doch es muss schlüssig sein und darf seinen Charakterwerten nicht widersprechen.

Ein Beispiel:
Der Wolfskrieger hat Angst vor dem Feuer. Dennoch stürmt er in den brennenden Schuppen, da er um den Grafensohn darin weiß, den er sicher in den Norden geleiten muss. Würde er dessen Tod in Kauf nehmen, wäre er sein Leben lang vor dem Zorn des Grafen bedroht und sein Ruf als zuverlässiger Leibwächter wäre ruiniert. Dem Wolfskrieger ist seine Ehre so wichtig, dass er sie über seine Ängste stellt. Das ist schlüssig.
Der Wolfskrieger würde sich aufgrund seines Charakters jedoch niemals einem Feuer nähern um einen Sack Gold zu retten.
Die Werte eines Charakters müssen also in deiner Geschichte durchgehend konstant bleiben.

Wie lernst du deine Charaktere kennen?

Sprich mit ihnen! Das ist kein Scherz. Doch zuerst müssen die Eckpfeiler festgelegt werden, bevor eine Figur lebendig wird und mit seiner eigenen Sprache in einen Dialog treten kann.

Wer Rollenspiele kennt, weiß was zu Beginn eines jeden Abenteuers steht: die Erschaffung der Charaktere.
Wie funktioniert das? Du füllst den sogenannten Charakterbogen aus. Darin trägst du äußere Merkmale, wie Geschlecht, Alter, Größe und Gewicht ein. Dann vergibst du Punkte auf Eigenschaften, wie Stärke, Mut, Charisma oder Klugheit. Schließlich legst du Fertigkeiten fest und Dinge die dein Charakter nicht mag. Abgerundet wird die Erschaffung durch soziale Komponenten, Ticks und Ängste.

Tipp: Nimm dir einen Charakterbogen eines Rollenspielsystems um deine Helden zu entwerfen.

Hier findest du einen Charakterbogen zum Download

Das ist mein Charakterbogen für angehende Fantasyhelden:

Hier findest du eine Vorlage zur Erschaffung deiner Figuren. Exemplarisch findest du die Werte meiner Protagonistin Narna Feuervogel, aus meinem Fantasyroman „Element8: Das Flüstern der Erde“

Äußerlichkeiten

  • Name: Narna Feuervogel
  • Geschlecht: weiblich
  • Alter: 17
  • Größe: 5 Fuß
  • Körperbau: athletisch, drahtig
  • Haarfarbe: rot
  • Augenfarbe: seegrün
  • Gesicht: blass mit Sommersprossen
  • Frisur: langes Haar, wild, verfilzt
  • Hände: schmal
  • Kleidung: Blätterkleid
  • Besondere körperliche Merkmale: Greifzehe; Mal am rechten Oberarm
  • Bewegung: schleichend
  • Sprache: wortkarg; kratzige Stimme

Charakter

  • Charaktereigenschaften: impulsiv, aufbrausend
  • Fähigkeiten: riecht gut, schleichen
  • Kernbedürfnis: Unabhängigkeit; die Städte sehen
  • Ziele: ihren Stamm verlassen
  • Vergangenheit: als Waisenkind aufgewachsen
  • Sozialer Status: Aussenseiterin
  • Beschäftigungen: spielt mit den Tieren des Waldes
  • dunkle Seite: nimmt Pilze um sich zu berauschen
  • Ängste: sich zu binden
  • Zitat: „Wenn die Baumgeister nicht dafür sorgen, dann sorge ich dafür“

Hast du deinen Charakter entworfen, kannst du einen Dialog mit ihm führen und ihn in deine Geschichte stürzen. Wie das funktioniert, erfährst du im nächsten Beitrag.